FJOs Reiseseiten | HOME | In eigener Sache |
GOTIK in YORKSHIRE Klöster, Burgen und Kirchen in den Yorkshire Dales und North York Moors Kurzreise vom 3. bis 7. Oktober 2011 |
Ein paar Sätze vorab Es steckt keine Strategie dahinter, die Epochen der Kunstgeschichte anhand architektonischer Exempel chronologisch zu durchmessen. Es ist reiner Zufall, daß auf die Romanik im Jahr 2010 die Gotik 2011 folgte. Obwohl, wenn man so darüber nachdenkt: Es bestünde schon ein gewisser Reiz darin, genau so vorzugehen. Dann lägen die Ziele für die folgenden Jahre jetzt schon fest: 2012 Italienische Renaissance, 2013 Oberschwäbische Barockstraße, 2014 zu Herrn Schinkel ins preußische Kernland (oder lieber doch nach Frankreich in die Île-de-France), 2015 dann die Suche nach der Blauen Blume im Deutschen Wald und 2016 ginge es zum Jugendstil nach Czernowitz. Danach sähen wir weiter. Nun könnte der geschichtsfeste Leser meinen, daß die Verbindung des achten Heinrich, eines Sohnes der Elizabeth von York, mit der Katharina von Aragon der Grund für unsere Reisen nach Aragon 2010 und Yorkshire 2011 gewesen wäre. Zuviel der Ehre, so weit haben wir vergangenes Jahr (eigentlich auch dieses Jahr) nicht gedacht. Nein, Yorkshire stand schon lange auf der Agenda. Auf eine Reise im Juli 2011 hatten wir uns festgelegt. Daß nichts daraus wurde, lag am Schliersee und an Amerika. Aber das ist eine andere Geschichte. Und so kam's, daß wir die Reise in den ersten Oktobertagen nachgeholt haben - nicht trotz, sondern wegen der dann normalerweise vorherrschenden Großwetterlage. Um's vorweg zu nehmen: Das Wetter war erfreulich gut und was wir gesehen haben, hat unsere schon nicht gerade geringen Erwartungen weit übertroffen. Die Fotos werden's beweisen. Daß wir dazugelernt haben, versteht sich. Aber wie differenziert wir ein wichtiges Kapitel der Religionsgeschichte zu sehen lernen würden, war nicht zu erwarten. "Wenn ich", sagte Moni, "Königin Elizabeth II. in ihrer Eigenschaft als Oberhaupt der anglikanischen Kirche wäre, dann würde ich diesen Titel umgehend ablegen. Direkte Titel- und Funktionserbin Heinrichs VIII. zu sein, dieses sexbesessenen Gattenmörders, dem seine Weibergeschichten wichtiger waren, als die Staats- und Religionsrason, nein, das würde ich nicht wollen. Aber ich bin ja nicht Elisabeth." Genau. Und auf Heinrich komme ich ausführlich zurück. Eigentlich wollte ich ja etwas über die Reise schreiben. Das mache ich jetzt auch.
|
An einem sonnigen Oktobernachmittag übernahmen wir am Leeds-Bradford-Airport unseren vorreservierten Vauxhall Corsa. Rechtssteuerung: kein Problem; Gangschaltung mit der linken Hand: auch kein Problem. Also ab, nordwärts auf die Yorkshire Dales zu. Erste Station: Bolton Abbey And forth from Rylstone-hall stepped she / To seek her Brother forth she went, And tremblingly her course she bent / Toward Bolton's ruined Priory.(1) Eigentlich ein Priorat (Priory), gemeinhin aber als Abtei bezeichnet, war das Kloster eine Gründung der "schwarzen" Augustiner aus dem Jahr 1151. Der Einfall schottischer Heere verursachte zu Beginn des 14. Jahrhunderts erhebliche Schäden an allen Gebäudeteilen. 1370 wurde die Hauptkirche in die Pfarrkirche für die umliegenden Dörfer umgewandelt, da sie für die geringe Zahl der in der Abtei lebenden Kanoniker (Canons) überdimensioniert war. Diese Situation bestand bis 1539. (2) Danach verfielen die Gebäude und wurden teilweise als Steinbruch benutzt. Das Gelände ist im Besitz des Duke of Devonshire. So lange hatten wir uns aufgehalten, daß wir uns entschlossen, das Skipton Castle links liegen zu lassen und den Corsa direkt in die Dales zu lenken. Und schon verlangten uns die engen, mauer- und zaungesäumten Sträßchen eine weitere Entscheidung ab: Unvorsichtig und ohne einen Blick für die Schönheit der rauhen Landschaft und pittoresken Dörfchen durchzustochen, um uns noch auf dem Weg zu unserem ersten Domizil den Weiler Dent anzusehen oder es etwas gemächtlicher (und sicherer) angehen zu lassen und dafür auf Dent zu verzichten. Wir haben uns fürs Überleben entschieden. Mit Einbruch der Dunkelheit und des Nachtfrostes erreichten wir unser Ziel Garsdale Head, das aus einer Drei-Häuser-Zeile und einer Scheune besteht. Im rechten Teil des "Komplexes" unser gepflegtes und bestens ausgestattetes B&B, das Garsdale B&B, in der Mitte nix und links das urige Moorcock Inn. Ein gemütlicher Pub, geführt von zwei wohlbeleibten Lesben (auf dem Foto der Rücken von Cathryn) und frequentiert von Bauern aus der engeren und einer Menge Jungvolk aus der weiteren Nachbarschaft. Das Essen war mittelmäßig, das Ale gepflegt und - da die Barfrau vom Whisky offensichtlich keine Ahnung hatte - aus einer Riesenauswahl von gereiften, alten Single Malts die Besten zu 2 Pfund 80. Nachts haben wir die Stille gehört, früh morgens unter Verzicht auf das "Full English Breakfast" gut und reichlich gefrühstückt und uns auf den Weg gemacht, hinein in die Weiten der Yorkshire Dales. Vieles, das einem beim Anblick den Atem verschlägt, ist ungeeignet, photographiert zu werden. Mag das hier eine Vorstellung geben. Nach zwei Stunden erreichten wir die nördlichen Hänge der Dales und damit das Städtchen Barnard Castle mit seinem gleichnamigen - na was schon? - Castle. Zweite Station:
Barnard Castle | |||||||
Nicht irgendeiner, nein mit Vor- und Zunamen. Wer den Fisch morgens angelandet hat, das
steht auf der Tafel mit den Tagesgerichten. Name des Fischers, Name des Kutters. Nach diesem fulminanten Essen fuhren wir auf das Plateau hoch über der Stadt. Denn hier stand unsere Vierzehnte Station: Whitby Abbey Wenig Touristen, strahlender Sonnenschein und ein kräftiger Nordseewind waren die idealen Voraussetzungen, diesen - hier nicht erwarteten - Höhepunkt unserer Gotik-Reise zu genießen. Sicher hatten wir mächtigere Ruinen gesehen, besser erhaltene, idyllischer gelegene und einsamere. Aber der Dreiklang von Architektur, Meer und Sonnenschein war so perfekt, daß wir unser ganzes Restleben lang keiner Fotos bedürfen, um uns an Whitby Abbey zu erinnern. Bereits 657 die Abtei als Doppelkloster für Männer und Frauen gegründet. Nach der Zerstörung durch die Dänen wurde sie 1067 als Benediktinerkloster durch einen Gefolgsmann Wilhelms des Eroberers neu gegründet. Der heute sichtbare Bau wurde 1220 begonnen. Seine Bestimmung wurde 1539 durch das berüchtigte Dekret Henry VIII. beendet. Whitby Abbey verfiel. Was hätte jetzt noch kommen, was diese unvergeßlichen Eindrücke übertreffen können? Wir beschlossen, gemächtlich die 20 Meilen über das Hochmoor nach York zu fahren und die geplante Besichtigung des Pickering Castle ausfallen zu lassen. Es reichte uns. Schließlich erwartete uns als letzter Höhepunkt noch eine der großartigsten Kathedralen der Gotik. in einer anderen römischen Colonia, die noch älter ist als unsere CCAA, COLONIA EBORACENSIVM, York. 1961 hatte ich auf meiner Vespa-Tour durch Irland, Schottland und England in York einen Stop eingelegt. 1974 war ich mit Moni auf einem Kurztrip in den Lake District für ein paar Stunden hier. Beide Male wurde der Beschluß gefaßt, hierhin zurückzukehren. Nun endlich hatten wir's geschafft. Nur, wie das so ist, alles hätt sing Zick. Das, was uns vor 50, 35 Jahren begeistert hat, sehen wir wohl heute mit anderen Augen: nüchterner, alters- und reiseerfahrener, großräumiger. Wo ist der Charme Yorks geblieben, der die Stadt in meinen Augen zu einer der schönsten Mittelstädte Europas machte, in einer Reihe mit Brügge und Siena? Egal. Es war ja nicht York, das auf der Agenda stand, es war das Minster. Fünfzehnte Station: York Minster Zeitlos, zeitlos schön, zeitlos aufregend. Auf den beiden Vorgängerkirchen (7.-11.Jhd. und 1100-1220) aufbauend, gehört das Minster in York zu ältesten Kirchen des Abendlandes und den großartigsten Schöpfungen der Gotik. Unter Erzbischof William Grey wurde 1215 damit begonnen, die normannische Kirche im Stil der Zeit umzu-bauen. Zuerst wurden die Querschiffe hinzugefügt, 1291 folgte das Langhaus, das 1360 fertiggestellt war. Lady Chapel und Chor wurden 1405 vollendet. Mit der Fertigstellung der beiden Türme 1472 erhielt das Minster seine endgültige Form. | |||||||
+++ Ein Vergleich: Der Bau des Kölner Doms wurde 28 Jahre später begonnen und 408 Jahre später beendet. Noch ein Vergleich: Länge Y(ork Minster) 159 m, K(ölner Dom) 144 m; Breite Y 76 m, K 86 m; Gewölbehöhe Y 31 m, K 43 m; Volumen umbauter Raum in m³ Y 140.000, K 407.000 +++ Von unserem B&B nahe der Stadtmauer aus haben wir abends einen feuchten Spaziergang in die Innenstadt unternommen und im Snickleway Inn in einem Gebäude aus dem 15. Jhd. ein paar Pints getrunken. Wir haben im B&B Palm Court (das seit 2020 geschlossen ist) ganz gut geschlafen. Und mittelmäßig gefrühstückt. Letzter Tag: Bei strahlendem Sonnenschein sind wir nach Knaresborough gefahren. Die dortigen Burgruinen haben wir ignoriert. Moni hat sich stattdessen einen letzten Cream Tea (mit viel clotted cream) spendiert. Von dort waren's dann nur noch 15 Meilen zum Flughafen. |
Kosten Als sparsamer Rentner fliegt man, wenn man fliegt, Ryanair. Die Tickets von Weeze (muß man nicht kennen) nach Leeds (muß man auch nicht kennen) und zurück kosteten für uns beide zusammen 60,00 € (alle Gebühren eingeschlossen, und das Bordklo war auch umsonst). Geparkt wurde wieder in den alten RAF-Bunkern zu 30 € für 5 Tage. Dazu für 225 km bei 8 l/100 km noch mal für 25 € Sprit macht summa summarum 115 € für 2 Personen Köln - Yorkshire und zurück. Der Mietwagen schlug (bei unbegrenzter Kilometerzahl, allen Versicherungen und ohne Selbstbeteiligung bei Unfall) mit £112,00 zu Buche. Die B&B's kosteten im Schnitt £80,00 pro Nacht (Zimmer mit Frühstück) Technische Details Flug: Weeze (NRN) - Leeds (LBA) - Weeze PKW: Vauxhall Corsa; Gesamtstrecke 725 km 4 Nächte: Garsdale, Garsdale B&B (2); Osmotherley, Vane House B&B (1); York, Palm Court B&B (1) Tagesetappen 1. Tag: (Flug)→ Leeds Airport → Bolton Abbey → Garsdale (Ü) 2. Tag: In den Yorkshire Dales: Garsdale → Barnard Castle → Eggleston Abbey → Richmond Castle → Easby Abbey und St. Agatha →Jervaulx Abbey → Middelham Castle → Garsdale (Ü) 3. Tag: Von den Yorkhire Dales in die North York Moors: Garsdale → Hubberholme → Fountains Abbey → Ripon Cathedral → Byland Abbey → Rievaulx Abbey → Osmotherley (Ü) 4. Tag: In den North York Moors: Osmothlerley → Mount Grace Priory → Whitby Abbey → York Minster → York (Ü) 5. Tag: York → Knaresborough → Leeds Airport → (Flug) Zeichenerklärung und Fußnoten = Betreuung durch National Trust; = Betreuung durch English Heritage. (1) William Wordsworth, THE WHITE DOE OF RYLSTONE (Zeilen 1539-1543), 1867 (2) In der 2. Hälfte der 1530er Jahre hat König Heinrich VIII. im Prozeß seiner Loslösung von Rom alle Klöster aufgelöst. (Einzelheiten s. im letzten Teil dieses Berichtes) (3) Sir Walter Scott, ROKEBY - A POEM, 1813 (4) Weitere von "English Heritage" betreute Monumente sind mit diesem Symbol gekennzeichnet. Der "English Heritage Pass" gewährt unbegrenzten Zugang zu mehr als 400 der wichtigsten Orte der englischen Geschichte; für ausländische Besucher kostet der 7-Tages-Pass £21,40 (Stand 2011) Bildmaterial Alle Bilder sind Eigenproduktion, außer diesen auf Seite 5: www.geograph.org.uk, Seite 9u: ih2.redbubble.net, Seite 14u: www.tgomagazine.co.uk, Seite 19: http://www.flickr.com, Seite 21 Fn 12: Google "Bilder" Heinrich VIII. und die Auflösung der englischen Klöster Auf den vorherigen Seiten tauchen bei allen Abtei- und Prioratsbeschreibungen die Jahreszahlen 1536 - 1540 auf. In diese zweite Hälfte der dreißiger Jahre des 16. Jahrhunderts fiel das Ende der von uns während dieser reise besuchten (und aller übrigen) Abteien in England, Schottland und Wales. Die Auflösung der englischen Klöster (Dissolution of the Monasteries), von den englischen Katholiken auch als Unterdrückung der Klöster (Suppression of the Monasteries) bezeichnet, war der formale Akt während der Englischen Reformation, mit dem Heinrich VIII. 1536 bis 1541 die Besitztümer klösterlicher Einrichtungen in England, Wales und Irland konfiszierte. Durch das Parlament hatte sich Heinrich VIII. 1534 durch die Suprematsakte (Act of Supremacy) zum Oberhaupt der Kirche in England und Wales erheben lassen. Womit er sich von der päpstlichen Autorität löste. Unter massivem Druck (First Suppression Act) kam es ab 1536 zu "freiwilligen" Klosterauflösungen, da den Oberen Hochverratsprozesse angedroht wurden. Die Mönche wurden mit Pensionen geködert, ihren Orden zu verlassen, Ein Wechsel in ein anderes Kloster war ausgeschlossen. Als das Parlament 1539 ein Gesetz zur Legalisierung der freiwilligen Selbstauflösung der Klöster verabschiedete (Second Suppression Act), waren die verwaisten Klöster bereits verlassen oder säkularisiert worden. Hier findet sich eine erschreckend lange Liste der aufgelösten Klöster. Sie verdeutlicht das Ausmaß des kulturellen und seelsorgerischen Verlustes, für die den Heinrich VIII. durch seine Dekrete verantwortlich war. Und das ist er (und seine Frauen und Mätressen und Darsteller), so, wie Google "Bilder" ihn hergibt. © Friedrich Ortwein, Köln, Oktober 2011 |
Links: | alle Flüge (Logbuch) | Restaurant-Empfehlungen | Übernachtungen |
Bilder des Jahres | Reisereports | Reisebücher | Begegnungen |
HOME | Familienforschung | Kontakt |